Thorsten Ries:
Klingiana

Im Frühling 2016 erreichte uns aus Ghent eine Nachricht des Deutschen Literaturforschers Thorsten Ries, der in der Bibliothek Andreas Züst seine Recherche zum ethnografischen Konzept des «Memorizers» wie von Thomas Kling verwendet, zu recherchieren plante, ein Konzept, das offenbar auf Gespräche zwischen Kling und Andreas Züst oder die Bibliothek selbst zurückgehe. «Ich würde gerne diesen Zusammenhang anhand der Ozeanien-Literatur in der Bibliothek Andreas Züsts weiter recherchieren, da die genaue Quelle des Begriffs immer noch unklar ist. Möglicherweise finden sich Lektürespuren Klings.»

Als ich ihn über die Einladung zu einem Aufenthalt, welcher im Herbst 2016 erfolgt ist, nach dem Ergebnis seiner Recherche frage, führt mir Thorsten folgendes aus: Er sei gerade dabei, ein Büchlein «über digitale Forensik, Critique Génétique und Kling und Michael Speier (Winter Verlag, Reihe Beihefte zum Euphorion)» fertig zu machen.

«Darin findest du auch (…) was ich zu Klings ‹Memorizer› gefunden habe: nicht DIE erhoffte Quelle (und ich habe in allen Ecken der Bibliothek danach gesucht). Aber ich konnte immerhin das gemeinsame Interessenfeld ‹Ozeanien› und Claude Levy-Strauss’ ‹strukturale Anthropologie› anhand der Bibliothek ermitteln. Ich konnte auch die gemeinsamen Interessen und den zeitlichen Verlauf des Verhältnisses von Kling und Züst ein wenig ermitteln, indem ich Klings Widmungen in den Büchern der Bibliothek gesichtet habe. Ich gehe davon aus, dass die initiale Idee des ‹Memorizer› im mündlichen Austausch zwischen den beiden aufgekommen sein muss (daher die Widmung in Bekannte Bekannte 2), die weitere Übertragung ist Klings ‹Eigenleistung› – dies kann man, ex negativo, aus dem Abgrasen und der Fehlanzeige in der Bibliothek, schlussfolgern.»

Es sind Zeilen, die Thorsten mit dem Hinweis «dafür war dieser Besuch allemal wertvoll genug» schliesst, ich wiederum freue mich über diese Nachricht ab der verspielten Akribie, mit der ein Deutscher Literaturwissenschafter aus Ghent – «specialized on applications of digital forensics in the Humanities, scholarly editing and textgenetic criticism» – sich der Bibliothek Andreas Züst angenommen hat.

August 2017
Text: Mara Züst